Karpatenrunde in nur 2 Tagen
- lawo66
- 25. Sept. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juli
2 Männer mit 75 Jahren Moped-Erfahrung, 11 Tage und 3850km Wildnis - und, wegen der uns eigenen Wildheit und Abenteuerlust, noch einen Gas-Espressokocher samt Kaffeeweißer (ein wenig Luxus wird wohl erlaubt sein).
So war der Plan seit etwa April.
Nachdem wir im Juni bereits die Westalpen erfolgreich absolvierten, wollten Karli und ich im Herbst eine Kontrasttour fahren. Keine Städte, keine Touristen, keine Luxusunterkünfte - sondern pures Fahren, nur unterbrochen durch gelegentliche Kaffee/Kuchen-Orgien. Die Route holt Schwung im flachen Ungarn und folgt dann im wesentlichen dem Gebirgszug der Karpaten und später dann der Hohen und Niederen Tatra. Starttermin war der 9.September, etwa nullachthundert.

Bis etwa 1 Woche vor Start war alles gut. Die Mopeds waren kontrolliert, wer eine hatte, schmierte seine Kette, Reifen waren ok, Versicherungsscheine auch. Die Seitenkoffer waren gepackt und montiert und es wurde sogar diskutiert ob man nicht mit der wind- und regendurchlässigen Sommermode fahren sollte (die albanischen 40 Grad bei voller Montur waren noch nicht vergessen) - schließlich hatten wir die letzten 6 oder 7 Wochen permanent schönes Wetter mit den entsprechenden Temperaturen.
Der TV-Wettermensch startete diese spezielle Woche mit Ahnungen und leichten Zweifeln bzgl. der Wetterbeständigkeit (Mo und Di) und wurde konkreter, dass da was Großes auf uns zukommen könnte (Mi und Do) bis er schließlich ab Freitag von Apokalypse und zu warmem Mittelmeer mit zu warmer Luft und viel zu viel Wasser in dieser warmen Luft schwafelte, kombiniert mit einem Temperatursturz ab Montag Morgen - um etwa nullachthundert. Naja, uns konnte das egal sein (redeten wir uns ein), schließlich fahren wir ja gegen Osten - dorthin, wo die Sonne aufgeht und wo´s warm und trocken ist.
Als aber letztendlich am Sonntag Abend (t minus 12h) auch das Regenradar nichts Gutes verhieß, verlegten wir die Abfahrt vor um dem, präzise auf 8:00 festgelegten, Start des Gewitters zu entgehen.
Gegen 7:15 starteten wir. Eingepackt in die Normalklamotten mit Innenjacke, außen rum noch das Ganzkörperkondom als Regenschutz samt Polarforscherhandschuhen gings los. Als echter, wilder Biker lässt man sich doch nicht von ein paar Regentropfen abhalten und die gemessenen 10 Grad lagen immerhin im positiven Bereich der Skala. Die ersten 70km gings aus Fluchtgründen (vor dem aus dem Westen kommenden Gewitter) über heimische Autobahnen und tatsächlich: der Regen lies nach und ganz, ganz weit vorne wurde der Horizont tatsächlich heller als dunkelgrau.
Dafür kam das Dunkelgrau hinter uns immer näher und holte uns schließlich in Ungarn wieder ein (da half es uns auch nicht, dass wir, nachlässigerweise, auch in Ungarn etwa 4km Autobahn befuhren - wir wurden trotzdem nass und bezahlten im Nachhinein auch noch jeweils €120.- für diesen Fahrspaß). Was folgte, war ein ständiges Hoffen auf Wetterbesserung und dem erneuten Guss von oben. Wir bekamen nicht "kalt/warm" (kalt wars durchgehend) sondern eher "feucht/nass". Interessanterweise trafen wir unterwegs nicht allzu viele andere Motorradfahrer.

Ab der Mittagspause wars dann trocken, wir hatten es geschafft und die Schlechtwetterfront hatte eingesehen, dass sie uns nicht einholen konnte! Der restliche Weg führte durch ungarische Dörfer mit interessanten Dachrinnenkonstruktionen und durch die Weiten der Pusta. Das war schon mehr nach unserem Geschmack! Viel Gegend, wenig Verkehr - und vor allem: kein Regen mehr. In einem namenlosen Dorf überraschte uns eine Konditorei mit einer 20m langen Theke inklusive Füllung mit Kuchen, Torten und Eis.
Gegen 17:00 erreicht wir, zeitgleich mit der nächsten Regenfront, unser Etappenziel Szegedin samt Unterkunft. Nass und unterkühlt retteten wir uns in die Dusche bevor wir dann im Regen das 400m entfernte Restaurant aufsuchten (welcher echte Biker hat denn einen Regenschirm im Gepäck?). Essen war gut, Bier war gut, Rückweg war auch wieder nass.
Tag 2. Auf nach Rumänien. Das Frühstück war wieder 400m entfernt - und natürlich regnete es wie aus Kübeln. Wir starteten, eingepackt wie die Michelin-Männchen, bei Regen, überquerten die Grenze bei Regen und passierten den Moloch Timisoara bei Regen. Dann, endlich, klarte es etwas auf und wir bogen ab in die Karpaten (siehe Knick in der roten Tour). Sanfte Hügel mit viel Wald, immer kleiner werdende Dörfer mit immer weniger durchgängigen Asphaltstrecken unterbrachen die ansonsten gut ausgebaute Strecke und die letzte größere Stadt Reschitza bot sogar heimisches Benzin (allerdings wusste man nicht was man mit mit einem Euro-Gutschein anfangen sollte, bezahlt wurde mit Lei und sonst nix).

Nach der Hitze der letzten Stunden, das Thermometer kletterte auf 14 bis 15 Grad hoch, wurde es nun wieder etwas kühler - und dafür begann es auch wieder leicht zu regnen.
Nur noch 15km bis zum Etappenziel lagen vor uns als es dann passierte. Nachdem die Tour bisher so unkompliziert und toll lief, wurde es Zeit für ein Problem. Und das kam bei einem moderaten Anstieg und bei etwa 60km/h.

In einer leichten Linkskurve rutschte uns beiden praktisch zeitgleich das Vorderrad weg (Spurrillen, Bitumen, Regen). Nach der Schrecksekunde konnte ich wieder stabilisieren, mein Kollege hatte leider nicht viel Glück, kippte um und rutschte weg. Durch die geringe Geschwindigkeit rutschte er, samt Motorrad, glücklicherweise nur bis zum Randstreifen und detonierte nicht in die Betonbegrenzungen. Trotzdem schaffte er es irgendwie, unter die Maschine zu kommen, wodurch ihm die Kardanwelle den linken Unterschenkel doppelt brach. Scheiße!

Als Glück im Unglück ist es auch anzusehen, dass es ansonsten keine Verletzungen gab, nicht mal Kratzer oder Schürfwunden. Auch das Motorrad "verlor" nur den Schalthebel.
Bereits der erste nachfolgen Autofahrer hielt an (ein Taxi) und setzte die Rettungskette in gang.
Es lief alles sehr professionell ab und sobald festgestellt worden war, dass Karli nicht alkoholisiert ist und das Motorrad sich in sehr gutem Zustand befindet, wurden die Einsatzkräfte schon direkt freundlich. Dank Google-translator konnte man mit ihnen kommunizieren, mit englisch kamen wir leider kaum weiter, was auch die Abklärungen etwas verzögerte. Jedenfalls wurde Karli nach Caransebes ins Kreiskrankenhaus gebracht, die nächstgelegene Stadt, etwa 60k m entfernt.

Caransebes hat etwa 20.000 Einwohner und ist die lokale Metropole, ähnlich einer Kreisstadt btw. Berzirkshauptstadt. Zu den Top-Attraktionen zählen, laut Internet und Tripadvisor z.B. das Gugulan Festival und nebenstehende Statue. Man sollte also andere Maßstäbe anlegen, um Begriffe wie Krankenhaus oder Stadt richtig zu deuten.
Ich selbst kam etwa 2 Stunden nach dem Patienten in die Stadt. Es war bereits dunkel - und es regnete wieder. Das KH war schnell gefunden, die Zeichen für Hospital oder das Rote Kreuz sind glücklicherweise international. Am Eingang ins Kreiskrankenhaus, der nicht viel breiter wie ein normaler Hauseingang war, waren wegen des Regens Handtücher aufgelegt worden, man schien solche Wettersituationen bereits zu kennen.

Glücklicherweise sprach mich bereits dort der lokale Security-Chief an ("nicht nur vom Hospital, sondern für die ganze Stadt. Mit mehreren Hundert Mitarbeitern") und half mir wie selbstverständlich und freundlich meinen Freund in der 5.ten Etage zu finden. Pfleger und Schwestern sprechen generell kein englisch (noch eher ein paar Brocken deutsch) und auch der Arzt war nicht besonders froh über die notwendige Sprachexkursion.
Karli lag, in vollem Ornat und dreckig, wie man ihn von der Straße weggetragen hatte, im Bett. Er war schmerzmittelversorgt und auch der Unterschenkel war bereits wieder "zurechtgerückt". Mit Galgenhumor versuchten wir, das Beste aus der Situation zu machen. So wurde der ÖAMTC informiert und aktiviert (Schutzbrief sei Dank) und sowohl der Transport des Motorrades als auch der des Patienten angeleiert. Nicht nur die Optik des Krankenhauses, auch der offene Tipp des Arztes, sich doch lieber in Österreich operieren zu lassen, halfen sehr bei dieser Entscheidung.

Noch ein paar kurze Telefonate zur Feinabstimmung und dann, wenn schon nicht mehr heute, dann doch spätestens morgen Vormittag, geht´s ab nach Haus ins LKH.
Am nächsten Morgen (Mittwoch) - anfangs dachte ich daran, im Warteraum zu übernachten (siehe rechts), nahm mir dann aber doch ein Zimmer in der Stadt - gabs nicht viel Neues zu berichten. Der ÖAMTC war noch am Abklären was den Krankentransport betraf (die Rückholung des Motorrades lief zu dieser Zeit schon ohne Probleme), möglicherweise wird es also doch Nachmittag werden, bis der Krankenwagen aus Ö eintrifft. Jedenfalls wollte es der Zufall, dass ich von einer Tankstelle etwas Gebäck und Wasser mitbrachte - es sollte für lange Zeit das einzig Essbare sein, das Karli erwarten durfte. In Rumänien, wie auch in Italien, Kroatien usw. ist es nämlich nicht üblich, die Patienten kulinarisch zu versorgen - das hat die Verwandtschaft zu übernehmen. Tatsächlich verfügt das Kreiskrankenhaus nicht einmal über eine Küche.
Dafür gibt´s dort einen Hausmeister, der Karli besuchte und ihm (nach örtlicher Betäubung) links und rechts am Knöchel 2 Dübel setzte, dann noch 2 Ösen dran damit das Seil, durch Umlenkrollen geführt und mit einem Gewicht verbunden, verbunden werden konnte. Akku-Schrauber und Spax machts möglich. Für den Handwerker Karl eine echte Neuheit was den Werkzeug- und Materialeinsatz angeht.
Es muss aber festgehalten werden: alle beteiligten Menschen waren sehr bemüht, uns zu helfen. Polizei, Sanitäter, Pflegepersonal usw. waren freundlich und wirkten kompetent. Sie verfügen eben nicht über die Möglichkeiten, die unser Gesundheitssystem bietet aber sie versuchen, das Beste aus dem zu machen, was sie haben. Und, rein medizinisch, wurde wohl alles richtig gemacht. Karli ist mittlerweile operiert und die Knochen heilen wie geplant.

Nachdem der Krankentransport also demnächst eintreffen sollte, machte auch ich mich auf den Weg. Es regnete zwar, aber irgendwie war das schon egal. 850km weiter nordwestlich kam ich gesund und wieder aufgetrocknet (100km nördlich von Szeged wechselte Regen zu Sonnenschein) zuhause an.
Leider verzögerte sich der Aufenthalt des Herren K. noch bis Freitag - erst dann traf der Krankenwagen ein und holte ihn ab. Von Dienstag Abend bis Freitag Morgen im Kreiskrankenhaus Caransebec - diese Zeit wird Karli wohl nicht so schnell vergessen ;-)



Hallo, bin irgendwie hier gelandet.
War die große Tour nach zwei Tagen beendet? Die Karte mit der geplanten Tour hatte mich darauf vorbereitet etwas mehr zu lesen.
Unfall ist immer unschöne Sache, hoffe dein Kumpel hat sich wieder erholt.
Also ich wäre dann alleine weiter gefahren, man plant und freut sich dann leider sowas.
Grüße aus Deutschland und der Rhön dem schönen Mittelgebirge mitten in Deutschland.